OLG Düsseldorf: Arglistige Täuschung beim Immobilienkauf wegen Bleirohren – Sachmangel, Gewährleistung & Schadensersatz
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Oktober 2019 betrifft den Fall eines mit Bleirohren ausgestatteten Mehrfamilienhauses, das der Kläger von der Beklagten erworben hat. Der Kläger machte Ansprüche wegen des Sachmangels der Bleirohre geltend, da diese ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen können. Das Gericht stellte fest, dass ein mit Bleirohren ausgestattetes Haus einen Sachmangel gemäß § 434 BGB darstellt, auch wenn zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses die Verwendung von Bleirohren noch bedenkenfrei war. Die Beklagte hatte Kenntnis von den Bleirohren, da sie bereits Reparaturen in Auftrag gegeben hatte und Schäden an den Rohren an die Versicherung gemeldet hatte.
Das Gericht urteilte, dass die Beklagte arglistig gehandelt hat, indem sie dem Kläger die Informationen über die Bleirohre vorenthalten hat. Die Beklagte hatte falsche Angaben über die Anzahl und den Umfang der Leitungswasserschäden gemacht, die der Kläger erst nach dem Kauf des Hauses erfuhr. Die Beklagte wurde verurteilt, die Austauschkosten für die Bleirohre zu tragen.
Das Gericht entschied auch, dass der Kläger trotz einer Entscheidung des BGH fiktive Mängelbeseitigungskosten im Rahmen des kleinen Schadensersatzes geltend machen kann und dass eine Anrechnung Neu für Alt sowie ein Vorteilsausgleich im Fall einer arglistigen Täuschung zu prüfen sind.
Im vorliegenden Fall des OLG Düsseldorf (24. Zivilsenat), Urteil vom 22.10.2019 – 24 U 251/18 wurden verschiedene rechtliche Normen des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angewendet.
Zunächst wurde der Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB festgestellt. Ein Haus, das mit Bleirohren zur Trinkwasserversorgung ausgestattet ist, weist einen Sachmangel auf. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass Blei ein Umweltgift ist, welches zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden führen kann. Selbst wenn der Grenzwert für Blei im Trinkwasser zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht überschritten war, besteht dennoch die Gefahr, dass dies in der Zukunft eintreten kann. Daher kann ein Haus mit Bleirohren nicht als üblich in Bezug auf die Beschaffenheit angesehen werden, was einen Sachmangel gemäß § 434 BGB darstellt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwendung von Grundstücken mit Altlastenverdacht wurde herangezogen, um die Entscheidung zu stützen.
Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Beklagte arglistig gehandelt hat, indem sie dem Käufer wichtige Informationen über die Bleirohre verschwiegen hat. Obwohl die Beklagte behauptete, keine Kenntnis von den Bleirohren gehabt zu haben, wurde dies widerlegt. Indizien deuteten darauf hin, dass die Beklagte über die Bleirohre Bescheid wusste, insbesondere aufgrund von Reparaturarbeiten und Schadensmeldungen. Die falschen Angaben der Beklagten bezüglich der Leitungswasserschäden und der Versicherungsregulierungen führten zu dem Schluss, dass sie die Informationen absichtlich verheimlicht hatte, um den Vertrag abzuschließen. Da der Käufer den Beweis einer arglistigen Täuschung erbrachte, konnte sich die Beklagte nicht auf den Gewährleistungsausschluss gemäß § 444 BGB berufen.
Die Entscheidung des Landgerichts, die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären, wurde im Berufungsverfahren bestätigt. Die Beklagte wurde zur Zahlung der Austauschkosten für die Bleirohre verpflichtet. Es wurde darauf hingewiesen, dass im weiteren Verfahren genau geprüft werden muss, ob fiktive Mängelbeseitigungskosten im Rahmen des kleinen Schadensersatzes geltend gemacht werden können und ob ein Vorteilsausgleich im Fall einer arglistigen Täuschung zu berücksichtigen ist.
Insgesamt wurde eine umfassende rechtliche Analyse durchgeführt, um die Anwendung der relevanten Normen im vorliegenden Fall zu begründen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beweisaufnahme des Gerichts bezüglich des Sachmangels der Bleirohre zur Trinkwasserversorgung beruhte auf verschiedenen Indizien. Es wurde festgestellt, dass ein Haus mit Bleirohren einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB aufweist. Das Gericht zog dabei Grundsätze heran, die der Bundesgerichtshof zum Verkauf von Grundstücken mit Altlastenverdacht entwickelt hatte. Die Tatsache, dass die Grenzwerte für Blei in den letzten Jahren kontinuierlich herabgesetzt wurden und die Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potenzial austreten, führte dazu, dass das Gericht den Kläger in seinem Vorbringen bestätigte. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte Kenntnis von den Bleirohren hatte und diese arglistig verschwiegen hatte. Die Falschinformationen bezüglich der Anzahl und Höhe der Leitungswasserschäden verstärkten den Verdacht der Arglist. Das Gericht überzeugte sich davon, dass die Beklagte von den Bleirohren wusste und den Kläger nicht korrekt informiert hatte. Daher wurde die Klage dem Grunde nach stattgegeben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 54.950,–.
Für die zukünftige Praxis können aus dem Urteil des OLG Düsseldorf (24. Zivilsenat), Urteil vom 22.10.2019 – 24 U 251/18 folgende Ratschläge abgeleitet werden:
- Bei Bau- oder Verkaufsvorgängen ist darauf zu achten, dass potenzielle gesundheitsgefährdende Risiken, wie z.B. Bleirohre zur Trinkwasserversorgung, offenbart werden müssen.
- Auch wenn zum Zeitpunkt der Errichtung eines Gebäudes bestimmte Baustoffe oder Techniken als unbedenklich galten, kann sich die Bewertung im Laufe der Zeit ändern. Daher ist bei Vertragsabschlüssen darauf zu achten, dass die Tauglichkeit eines Objekts für den vertragsgemäßen Gebrauch zu jedem Zeitpunkt gegeben ist.
- Mietobjekte müssen die gesetzlichen Anforderungen an die Trinkwasserqualität erfüllen. Werden erhöhte Bleikonzentrationen festgestellt, muss der Vermieter den Mangel beseitigen, auch wenn die Grenzwerte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch eingehalten wurden.
- Bei arglistigem Verschweigen von Mängeln kann der Gewährleistungsausschluss im Vertrag unwirksam werden. Eine sorgfältige Dokumentation und Offenlegung von relevanten Informationen ist daher ratsam.
- Bei Streitigkeiten über Mängelbeseitigungskosten und Vorteilsausgleich ist eine genaue Prüfung der Rechtsprechung und Gesetze erforderlich, um die Ansprüche angemessen durchsetzen zu können.